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Grußwort von Rolf Menzel, Landrat des Rheinisch-Bergischen Kreises zum VII. FORUM OSTWEST
Sehr geehrte Damen und Herren, gestatten Sie, dass ich etwas weiter aushole. FORUM OSTWEST ist für mich nicht nur eine kulturelle Veranstaltungsreihe. Sie steht in einem größeren Kontext. Wenn im Mai diesen Jahres das Ende des Zweiten Weltkrieges auf vielfältige Weise reflektiert wird, so ist dies aus der Perspektive vieler Menschen in Europa nicht allein das Ende der Nazi - Barbarei. Aus unserer Wahrnehmung, wenn man das so generalisierend sagen darf, also für meine Generation der deutlich nach dem Krieg geborenen und in Westdeutschland aufgewachsen, ist der Mai 1945 der Beginn einer außerordentlichen Entwicklung: 60 Jahre in Freiheit und in Frieden.
Für Abermillionen senkte sich mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges der Eiserne Vorhang.
Der 17.Juni 1953 in Ostberlin, der Ungarn - Aufstand und die Streiks in Posen 1956, der Bau der Mauer 1961, der Prager Frühling und die demonstrative Okkupation der Tschecho-slowakei durch die Warschauer Pakt Armeen 1968 waren Menetekel eines sich mehr und mehr spaltenden Europas. Für meine Altersgruppe hieß Europa Schüleraustausch mit Frankreich und England oder ein Wochenende an der Nordseeküste Belgiens und der Niederlande, die aus dem Rheinland schnell zu erreichen sind. Mit Capri Sonne und Flugreisen nach Mallorca hatte man sich Ende der 70er Jahre eingerichtet. Die Wahl eines polnischen Kardinals zum Papst im Oktober 1978 erstaunt, sie hat jedoch für viele in Deutschland, im Westen keine sonderliche Bedeutung.
Die Unruhen auf einer Werft in Danzig mit einem Elektriker an der Spitze, der immer ein Bildnis der Madonna von Tschenstochau am Revers trug, brachten nicht nur Polen in Bewegung. Nach bangen Wochen geschah das Unmögliche: „Solidarność" unterzeichnete im August vor 25 Jahren einen Vertrag mit dem Polnischen Staat. Das heißt, mit einem kommunistischen Staat, der sich so sehr durch eine Bürgerrechtsbewegung in die Enge gedrängt sah, dass er eine freie Gewerkschaft zuließ. Zumindest für eine Weile.
Es war der Anfang vom Ende der Spaltung Europas.
Die Runden Tische in Warschau, die Vereinigung Deutschlands, die Samtene Revolution der Tschechoslowakei mit einem Autor als Staatsoberhaupt, die Eigenständigkeit der Baltischen Staaten, sie alle sind auf diese Ereignisse im August 1980 zurückzuführen. Und sie wirken noch heute nach.
Die Präsenz polnischer, tschechischer wie slowakischer Prominenz in einem Meer von
Orange auf dem Hauptplatz von Kiew im Dezember 2004 verwundert nicht. Sie ist Ausdruck dieses Prozesses. Die Erfahrungen eines Lech Wałęsa und Václav Havel tragen Früchte.
Das Streben, der Europäischen Union beizutreten, kennzeichnet den Willen, an Freiheit, Frieden und wirtschaftlicher Entwicklung teilzuhaben. Der 1. Mai 2004 mit der Erweiterung der EU um zehn Länder ist im Blick auf den 8.Mai 1945 zu sehen. Die sog. Nachkriegsordnung Europas, die den Interessenskonflikt der westlichen Siegermächte mit der Sowjetunion spiegelte, ist - zumindest formell - aufgehoben. Und dennoch ... Frieden, Freiheit und Wohlstand für alle Europäer sind noch zu erarbeiten.
FORUM OSTWEST hat sich seit seinen ersten Schritten 1992 in den eben skizzierten Zu-sammenhängen verstanden. So ist es nur konsequent, wenn FORUM sich nach über zehn Jahren ausschließlicher Begegnung mit Polen für dessen Nachbarländer öffnet.
2005 - und höchst wahrscheinlich auch 2007 - werden es Tschechien und Slowakei sein.
Ich freue mich auf ein abwechslungsreiches und vielschichtiges Programm und lade Sie ein, sehr geehrte Damen und Herren, durch Ihre Teilnahme zu dokumentieren, dass Europa mehr ist, als ein zum 1.Mai 2004 in Kraft gesetzter Vertrag.
Unsere Gäste aus Polen, Tschechien und der Slowakei heiße ich herzlich willkommen! Viele im Rheinisch-Bergischen und Oberbergischen Kreis wie in Leverkusen werden sich bemühen, dass sie sich bei uns wohlfühlen, dass sie positiv gestimmt zurückkehren und sich die Reise von über 1.000 km gelohnt hat!
Ihr
Rolf Menzel
Landrat des Rheinisch-Bergischen Kreises
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