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Grußwort Jerzy Buzek
Der Beitritt Polens zur Europäischen Union im Jahre 2004 eröffnete ein neues Kapitel im kulturellen Austausch innerhalb der Staatengemeinschaft des Alten Kontinents. Für Polen bedeutete dieses Ereignis, dass es sich nach Jahrzehnten der Isolation erneut zum multikulturellen Europa hin öffnete.
Den sog. „alten Mitgliedsstaaten“ ermöglichte es wiederum, die einzigartige Stellung Polens als Brücke zwischen Ost und West zu nutzen. Somit ist auch die prophetische These eines der größten deutschen Gegenwartshistoriker Karl Schlögels in Erfüllung gegangen, die er in seinem gleichnamigen Buch formuliert hat: „Die Mitte [Europas] liegt ostwärts“.

Gleichzeitig führte der wirtschaftliche Erfolg Polens – das nachhaltige Wirtschaftswachstum sowie das effektive Vorgehen gegen die Auswirkungen der Finanzkrise in der EU – dazu, dass sich der Sinn der alten stereotypen Redewendung „polnische Wirtschaft“ drastisch verändert hat. Aus den makroökonomische Daten geht klar hervor, dass das heutige Polen gut und solide wirtschaften kann (in den Jahren 2008 bis 2012 ist das Bruttosozialprodukt in Polen um 18% gestiegen, das der an zweiter Stelle platzierten Slowakei um 10% und in den übrigen EU-Staaten betrug das Wachstum im Laufe dieser 5 Jahre +/- 0). Ohne Zweifel ermöglichte der wirtschaftliche Erfolg auch die Realisierung kultureller Ziele und konkreter Kulturprojekte.

In diesem Zusammenhang ist vor allem das Polnisch-Deutsche Jahr 2005/2006 sowie das POLSKA!YEAR in Großbritannien 2009/2010 zu erwähnen. Eine sehr große Bedeutung für die Förderung der polnischen Kultur hatte der Vorsitz Polens im Europarat in der zweiten Hälfte des Jahres 2011. Da der kulturelle Aspekt der Integration in Polen schon immer hoch geschätzt wurde, verwundert es nicht, dass der gesamte Vorsitz im Zeichen der Kulturoffensive stand und polnische Kunstausstellungen, u.a. die in Berlin und in Brüssel, den Titel der besten in Europa erworben haben.

Eine wichtige Rolle innerhalb des Kulturaustausches zwischen Polen und dem Rest der EU spielt die polnisch-deutsche Zusammenarbeit. Diese dauert ununterbrochen seit der 1989er Wende an und ist auf verschiedenen Ebenen sichtbar: den lokalen, regionalen und nationalen sowie in den unterschiedlichen Kulturbereichen. Neben dem bereits erwähnten Polnisch-Deutschen Jahr wären an hier die Frankfurter Buchmesse, auf der Polen im Jahre 2002 Ehrengast war, sowie Kooperations-Projekte zwischen Nordrhein-Westfalen und Polen zu nennen. Zu den Letzteren gehören u.a. „Tam!Tam!“ – Polen-Nordrhein-Westfalen-Jahr 2011/2012 – und der Austausch Polen–NRW in den Jahren 2012–2013 unter dem Titel: „Klopsztanga. Polen grenzenlos NRW“.

Die ständige Zusammenarbeit zwischen meiner Heimat Oberschlesien und dem Land Nordrhein-Westfalen – darunter das neueste Projekt: die Ausstellung „Erinnerung an Arbeit“ in der Stiftung „Zeche Zollverein“ in Essen in Kooperation mit der Kultureinrichtung Ars Cameralis Silesiae Superioris in Katowice im Jahre 2012 – zeigen, dass das Nachdenken über die gemeinsame Geschichte und Kultur auch hilfreich sein kann, um viele Herausforderungen struktureller Natur zu bewältigen.

Nicht vergessen darf man, dass polnische Künstler heutzutage europäische Künstler sind. Die immer enger werdenden Kontakte nach Deutschland öffnen ihnen nicht selten die Tür zu Weltkarrieren. Es ist kein Zufall, dass die internationalen Karrieren von berühmten visuellen Künstlern wie Mirosław Bałka, Katarzyna Kozyra, Artur Zmijewski oder Paweł Althammer in Deutschland angefangen haben.

Die deutsch-polnische Zusammenarbeit bietet die einmalige Chance, immer wieder neue politische und kulturelle Impulse zu erzeugen und zu weiter zu entwickeln. Wir haben einen langen Weg zurückgelegt von der Versöhnung über die stabile Partnerschaft bis zur visionären Zusammenarbeit zum Wohle des gesamten Europas. Unsere gegenseitigen Beziehungen sind heute geprägt von politischer und kultureller Verantwortung für die Pflege individueller künstlerischer Talente, Suche nach Verständnis für eine andere Kultur sowie eine gewisse Selbstbesinnung – das Sich-selbst-Neuerkennen durch die Erfahrung, mit fremden Augen der Anderen von außen gesehen zu werden. Das ist ein außerordentliches Kapital für die Zukunft.

Jerzy Buzek
Ministerpräsident der Republik Polen (1997–2001)
Präsident des Europäischen Parlaments (2009–2012)

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