Rückblicke 1994
Ursula Molitor – Ein Kennenlernen auf vielen Ebenen
Beim zweiten FORUM OSTWEST im Jahr 1994 hatte die Rösrather Künstlerin Ursula Molitor die Kolleginnen Bozena Burzym-Chawinska aus Krakau und Alicja Slowikowska aus Warschau für ein paar Wochen in ihr Atelier zu Gast. Aus der gemeinsamen Arbeit entstand ein reger Austausch zwischen Ost und West.
Bevor sich die Rösrather Künstlerin Ursula Molitor aktiv am zweiten FORUM OSTWEST im Jahr 1994 beteiligte, hatte sie schon erste Erfahrungen mit dem osteuropäischen Austausch gemacht. Schon Jahre zuvor hatte sie ein Plakat und ein Logo entworfen für eine Veranstaltung der deutsch-russischen Gesellschaft in Bergisch Gladbach. Das machte Susanne Bonenkamp neugierig. Sie war damals noch nicht lange Kulturreferentin des Rheinisch-Bergischen Kreises, fragte Ursula Molitor, ob sie auch ein Logo für das geplante FORUM OSTWEST 1992 entwerfen könne. Damals war es Neuland, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in die osteuropäischen Länder zu fahren und Kontakte in der Kulturszene zu suchen. Man
besuchte die Künstler-Union, führte im Kulturministerium Gespräche über die Idee von FORUM und traf Künstler in Galerien und den Räumen ihrer Verbände.
Ursula Molitor hatte gerade ihr Atelier ausgebaut und bot an, es polnischen Kolleginnen auf Zeit zur Verfügung zu stellen. um bei ihr drei Wochen lang zu leben und zu arbeiten. Im Frühjahr 1994 machte sich Susanne Bonenkamp mit Ursula Molitor auf nach Warschau, um die Krakauer Galeristin Marta Tarabula zu treffen, die gleich ihren Tipp Bozena Burzym-Chawinska mitbrachte. Die Galerie ZDERZAK war die Kontaktbörse in Krakau. Parallel dazu gab es den Hinweis auf Alicja Slowikowska aus Warschau. Beide waren ausgebildete Künstlerinnen, beide arbeiteten in den Vorständen der Künstlerverbände in ihren Heimatstädten.
Ursula Molitor erinnert sich an die nächtelangen Gespräche beim Wein, den gegenseitigen Austausch ihrer verschiedenen Lebenswelten. Zum ersten Mal hatten die zwei die Möglichkeit, in den Westen zu reisen. Für die polnischen Künstlerinnen war der Westen fortschrittlicher und weiter entwickelt als der Osten. Voll gefangen in diesem Eindruck, waren sie zuerst voller Zweifel, ob sie den Erwartungen gerecht werden würden. „Alicja sprach wenig englisch, Bozena sprach gut, hat vieles für Alicja übersetzt“, erinnert sich Ursula Molitor.
Doch nicht nur die Annäherung an die westlichen Verhältnisse waren schwierig für die beiden, auch das gegenseitige Miteinander musste zuerst erarbeitet werden. Zwischen Warschau und Krakau bestand schon immer ein Konkurrenzdenken – Warschau fühlte sich gegenüber der schillernden Stadt im Süden privilegierter und überlegener. Wie in Russland St. Petersburg und Moskau, wie in Deutschland Köln und Düsseldorf. Auch die beiden Künstlerinnen mussten diese Kluft erst einmal überwinden, sich annähern bis zu einer Freundschaft in gegenseitiger Hochachtung.
Unter dieser Prämisse versuchten sie, sich zu positionieren im Atelier von Ursula Molitor. „Jede musste Räume entwickeln und sich abgrenzen in der künstlerischen Situation“, so Ursula Molitor. Leider gibt es nur spärliche Erinnerungsstücke an die Arbeiten: Ein Foto zeigt die großformatigen Folien-Installationen von Bozena: Lange Bahnen mit abstrahierten Hintergründen, die sie im Schwimmbad raumfüllend an die Wände hing und auf das Wasser legte, das sich bei der kleinsten Erschütterung bewegte. Es war das Ergebnis der Auseinandersetzung und des Verstehens ihrer Eindrücke von Deutschland.
Alicja schuf großartige Stoffbahnen.
Bei einer Finissage war die Präsentation ihrer Werke ein großer künstlerischer Erfolg, aber auch ein Verkaufserlebnis. Bozena nahm sofort die Gelegenheit wahr, bei einem großen Fotohändler in Köln eine Spiegelreflexkamera mit neuester Technik zu kaufen.
Zwischen Ursula Molitor und den beiden Künstlerkolleginnen hatte sich eine echte Freundschaft entwickelt. Bozena besuchte die Molitors zusammen mit ihrem Mann Pawel und Sohn Mikolaj, stellte mit Pawel in Deutschland aus. Beim FORUM OSTWEST 1996 wurde mit Pawel Chawinski ein Landart-Projekt in Odenthal realisiert.
Das Konzept des gegenseitigen Kennenlernens ging auch in Richtung Osten auf. Die persönlichen Begegnungen waren der Schlüssel für die Einladungen nach Polen. Im Gegenzug wurden Künstler aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis nach Krakau eingeladen, auch in Warschau gab es eine Ausstellung – ein reger Austausch begann zwischen den Kulturschaffenden aus Ost und West, wurde in den folgenden FOREN OSTWEST immer weiterentwickelt und ausgebaut.
„Die menschliche Verbindung war von großer Nachhaltigkeit“, sagt Ursula Molitor heute. „Und dies war und ist eines der Ansätze für das FORUM OSTWEST.“
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