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FORUM OSTWEST 1992 – 2009
Rückblick Astrid Guesnet

Das alte Haus, das wie ein verwunschenes Dornröschenschloss inmitten eines parkähnlichen Gartens liegt, war immer wieder Treffpunkt für Menschen aus Ost und West. Astrid Guesnet, heute 83 Jahre alt, hat ihr Zuhause geöffnet für Musiker, Künstler, Schriftsteller, aber auch Menschen, die ihre Heimat verloren haben.
Aufgewachsen ist sie in Hinterpommern, zwischen Stettin und Kolberg, in einem großzügigen Haus, dessen Abbild ihr lange nach dem Fall des Eisernen Vorhangs als großes Stickbild überreicht wurde. „Dort war ein breiter Horizont – ich hatte keine Chance, kleinlich zu sein“, sagt sie über ihre Jugendzeit, von Flucht und Heimatverlust spricht sie nicht. Bei FORUM OSTWEST 2013 nimmt sie zum zehnten Mal Gäste auf: Die Künstlerin Magdalena Sobon aus Lodsch, die schon bei FORUM 2007 bei ihr ein Zuhause hatte, war jetzt im März zur Vorbereitung der großen Ausstellung „Kontakte – Kunst, Papier, Fotografie“ bei Astrid Guesnet beherbergt und hatte gleich ihre Ko-Kuratorin Dorota Tarnowska-Urbanik aus Posen dabei.
Astrid Guesnets Erinnerungen reichen weit ins Jahr 1991, als Volkmar Däberitz für sein Projekt „Begegnungen“ Unterkunft für die eingeladenen Gäste aus der Ukraine sucht. Astrid Guesnet nahm bei sich Boris Michailov auf, inzwischen weltberühmt, und seinen Kollegen Evgenij Pavlov, die ihre Fotoarbeiten im Kreishaus zeigten; für die beiden Künstler aus Charkov war es ihre erste Ausstellung im Westen. Der eine sprach fünfzig Worte Englisch, der andere zehn. „Da entstehen Geschichten, die ohne Sprache gehen“, erinnert sie sich an einen besonderen Vorfall: „Bei L. Fritz Gruber hatte Michailov einen Vogel gefangen. Doch welcher war es? Wir rätselten, bis Michailow rief ‚Picasso!’ – Da war es klar, eine Taube.“ Und so ging es öfters zu im Haus Guesnet, wenn die Sprache nicht reichte und auch das Wörterbuch nicht weiterhalf.
Besonders gute Erinnerungen hat die Goldschmiedin Guesnet an das FORUM OSTWEST 1996. Edward Lazikowski aus Lodsch, damals schon vertreten in berühmten Museen von Polen und bis Russland, war ihr Gast und „besetzte“ Areal Garten und Haus mit einer gigantischen Installation als Beitrag zu dem Projekt „zeitweise öffentlich“: Kiefernstämme umringen die alte Eiche am Eingang des weitläufigen Gartens, tauchen ein in den kleinen Teich, gelangen durch das Wohnzimmerfenster in das Innere des Hauses. Immer dünner werden die Stämme, die sich um Tische, Stühle und das Inventar winden und schließlich am Kamin enden. Oben auf den Kaminofen führt eine kleine Leiter ins Leere. „Das Holz hat Angst vor dem Feuer“, erklärte der Künstler das jähe Ende der Stämme vor dem Kachelofen.
Noch heute bewahrt Astrid Guesnet die Skizzen und Fotografien von der spektakulären Aktion auf, auch das Gästebuch, indem die vielen Gäste ihre Eindrücke niedergeschrieben hatten. Darunter Annelise Butterwecke: „Verwundete und verbundene Bäume – die Schöpfung ist wirklich tief verwundet. Sucht sie jetzt Zuflucht beim Menschen? In schöner, warmer Umgebung gewinnt sie ein neues Gesicht.“ Erinnerungen tauchen auf an das FORUM OSTWEST 1998, als die Cellistin Danuta Augustyn vom Krakauer Kwartet Dafo bei ihr gewohnt hat. „Es war eine große Gemeinschaft“, sagt Astrid Guesnet. Sie ist mitgegangen zu den Konzerten und der Präsentation der großen Glasinstallation von Alojzy Gryt in Kürten-Bornen bei Helga Reay-Young.
Im Jahr 2009 hat Astrid Guesnet Ewa Latkowska, Künstlerin aus Lodsch, aufgenommen, die beteiligt war an der Präsentation aktueller Papierkunst aus Polen in der Städtischen Galerie Villa Zanders. Es hängen kleine Arbeiten der Künstlerin im Haus, schöne Erinnerungen das die gemeinsamen Gespräche, das morgendliche Kaffeetrinken, die Cello-Klänge, die Haus und Park durchdrangen. Irgendwann, so erzählt Astrid Guesnet, sei auch das polnische Nationalgericht gekocht worden. Teresa, die Frau des Krakauer Fotografen Jan Bujnowski, habe den Schichteintopf mit Backpflaumen und Birnen, Fleisch und Gemüse gekocht. „Wir haben im Sommer auf der Terrasse gefeiert und Bigos gegessen“, denkt sie freudig an die vielen Begegnungen.
Beim FORUM OSTWEST in diesem Jahr wird die osteuropäische Küche ausprobiert bei den Veranstaltungen - polnisch, ukrainisch, belarussisch. Bigos ist sicherlich auch dabei.


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