Matthias Kneip ist ein Pendler zwischen den Kulturen, ein Grenzfall zwischen Deutschland und Polen. Durch die Herkunft seiner Familie aus dem deutsch-polnischen Grenzland wuchs er schon als Kind mit deutschen und polnischen Traditionen zu Hause auf, ohne aber die Geschichte seiner Eltern zunächst weiter zu hinterfragen. Erst spät begibt er sich auf die Suche nach den Ursachen für seinen “Grenzfall”, reist mit Eltern und Großeltern in die ehemals deutschen Gebiete Oberschlesiens, um schließlich dortzubleiben, weil dieses für ihn fremde und doch nicht fremde Land seine Neugier geweckt hat.
Während zahlreicher Aufenthalte in Osteuropa, insbesondere in Polen, der Ukraine und Moldawien verfasste Matthias Kneip für verschiedene deutsche und ausländische Zeitungen Berichte über die politische und gesellschaftliche Situation in diesen Ländern. Insbesondere die vermittelnde Tätigkeit zwischen den Kulturen Deutschlands und Polens wurde ihm zu einem wichtigen Anliegen. Seine Erfahrungen im Ausland, aber auch seine kritisch-distanzierte Sicht auf die Verhältnisse in Deutschland spiegeln sich sowohl in seiner Lyrik als auch in seinen publizistischen Veröffentlichungen wieder.
„111 GRÜNDE, POLEN ZU LIEBEN“ ist eine ebenso witzige wie hintergründige Liebeserklärung des Schriftstellers Matthias Kneip an Deutschlands östliches Nachbarland und seine Menschen. Humorvoll und augenzwinkernd nimmt Kneip den Leser mit auf eine sehr persönliche Reise durch das Land zwischen Oder und Bug, ohne dabei den Blick für die Realitäten zu verlieren. Wussten Sie beispielsweise, dass Polen mit dem Meer verheiratet ist? Oder dass der größte Gartenzwerg der Welt im polnischen Nowa Sόl zu finden ist? Neben kuriosen Sehenswürdigkeiten widmet Kneip sich auch den Eigenheiten der polnischen Mentalität oder besonderen Werken polnischer Kultur. Selbstverständlich darf bei einer solchen Liebeserklärung der Blick in den nationalen Kochtopf nicht fehlen! Auch polnische Geschichte und Traditionen begleiten den Leser auf dieser literarischen Reise durch ein Land, das zu entdecken sich lohnt.
Die nachstehende Leseprobe spricht für sich.
Ort: Freiherr vom Stein-Gymnasium, Rösrath
Ort: Laurentiushaus, Laurentiusstr. 4-12, 51465 Bergisch Gladbach,
Katholisches Bildungswerk im RBK
Eintritt: 5 €
Lieber Marek,
als ich dir erzählte, dass ich ein Buch schreiben werde mit dem Titel 111 Gründe, Polen zu lieben, stand dir das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Du konntest dir nicht vorstellen, wie jemand so viele Gründe finden sollte, dein Land zu lieben.
Zuerst dachte ich: Armer Marek, er liebt sein Land nicht! Dann: typischer Fall von polnischem negative thinking! Nach 110 Gründen war mir aber klar, dass ich mich getäuscht haben musste. Ich weiß jetzt: So ein Land muss man lieben, auch als Pole! Aber warum dann deine Reaktion?
Ich glaube, ich habe sie jetzt verstanden. Ihr Polen seid einfach durch und durch höflich. Ihr würdet nie sagen: »Was, nur 111 Gründe?« oder »Die diktiere ich dir durchs Telefon!« oder »Das kann ja jeder schreiben!«. Nein, so was macht ihr nicht. Ihr geht mit eurer Liebe zur Heimat nicht hausieren, posaunt nicht in die Welt hinaus, dass ihr das schönste und liebenswerteste Land in Europa seid. Stolz seid ihr schon auf eure Nation, aber mit ihr anzugeben liegt euch fern. Schon gar nicht gegenüber einem Gast oder Ausländer. Da haltet ihr euch zurück. Erst recht, wenn es sich dabei um einen Deutschen handelt. Ein Deutscher, der ein Buch schreiben will über 111 Gründe, warum er Polen liebt? Das erscheint euch schon fast kurios. Klar, ihr wisst, dass euer Land bei uns auf der Urlaubsliste nicht ganz oben steht (das liegt aber nicht an eurem Land, sondern daran, dass die Ostsee einfach kälter ist als die Adria!). Und ihr erwartet auch nicht von uns, dass wir in Vorbereitung auf einen Besuch bei euch erst mal Polnisch lernen. Aber ihr freut euch über jeden, der euer Land besucht und mit ihm Bekanntschaft schließt. Wohl wissend, dass die Chance, sich zu verlieben, für ihn groß ist. Und obwohl es eine Selbstverständlichkeit sein sollte, mal bei seinem Nachbarland vorbeizuschauen, vermittelt ihr ihm trotzdem das Gefühl, als sei sein Besuch für euch eine große Ehre.
Wenn dann gar jemand ein Buch darüber schreiben will, warum er euer Land liebt, findet ihr das im Grunde eures Herzens ganz toll. Und was kann es da Besseres geben, als den Autor damit zu motivieren, dass man ihm das Gefühl gibt, so was sei unmöglich, ein ganz großes Kunststück!
Lieber Marek, vielen Dank für dein entsetztes Gesicht. Es ist wieder ein Grund, euch und euer Land zu lieben. Aber es wäre nicht nötig gewesen. Wer euch einmal besucht hat, der weiß, dass es kein Kunststück ist, euch eine solche Liebeserklärung zu machen. Ich könnte mir sogar vorstellen, einen zweiten Band zu schreiben. Es gäbe noch so viel zu sehen, zu erzählen, zu probieren. Doch ich schließe hier und überlasse es den Lesern, die anderen Gründe selbst zu entdecken. Und sollte dir einer erzählen, wie toll dein Land ist, mach nur ruhig wieder ein entsetztes Gesicht – und freue dich still und heimlich, dort leben zu dürfen!“
Matthias Kneip: 1969 in Regensburg geboren, studierte Germanistik, Ostslawistik und Politologie, er promovierte 1999 an der Universität Regensburg zum Thema „Die politische Rolle der deutschen Sprache in Oberschlesien 1921-1999“. Seit März ist er 2000 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Polen-Institut in Darmstadt, arbeitet als Polen-Referent für Wirtschaftsunternehmen und für diverse Landeszentralen für politische Bildung sowie kulturelle Stiftungen; er ist als Schriftsteller mit Lesungen an deutschen Schulen unterwegs.
Link zum Thema: Katholischen Bildungswerk im Rheinisch-Bergischen Kreis / Matthias Kneip